Peter Tauber: „Stillhalten ist keine Option“
Dezember 19th, 2019 by
Der christdemokratische Bundestagsabgeordnete Dr. Peter Tauber setzt sich nicht erst seit seiner Zeit als Generalsekretär der CDU offen gegen Hass und Hetze im Internet ein. Regelmäßig steht auch er im Fokus der vor allem rechten Hassrede, die bis hin zu Morddrohungen geht. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie er damit umgeht und was er anderen Politikern im Umgang mit Hate Speech rät.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Hate Speech gemacht?
Natürlich habe auch ich schon Hasskommentare, Drohungen und ähnliches im Netz erlebt. Das ist wohl so, wenn man eine Position vertritt, die von anderen nicht geteilt wird.
Wer hat Sie auf diese Weise angegriffen und auf welchen Kanälen?
Ich erfahre dahingehend eine besondere Wertschätzung von Nazis im Netz. Damit kann ich als Demokrat aber sehr gut leben. Offensichtlich sind vor allem Twitter, aber auch Facebook Plattformen, wo sich solche armen Geister tummeln.
Wie sind Sie mit den Anfeindungen umgegangen?
Sehr unterschiedlich. Relevante Dinge lasse ich auch juristisch überprüfen. Zwei Verfahren haben zu einer Verurteilung geführt. Bei anderen halte ich verbal dagegen, damit andere sehen, dass wir uns als Demokraten nicht einschüchtern lassen dürfen. Manches lohnt aber nicht der Mühe. Das ignoriere ich. Und ganz selten, daran arbeite ich noch, lasse ich mich leider provozieren.
Im Kern geht es aber darum, dass ich glaube, dass das Internet Menschen zusammenbringen kann. Es gibt viel Gutes in der Welt, und deswegen sollte man das Netz nicht dem Bösen überlassen. Wir brauchen gute Geschichten und Menschen, die etwas bewegen wollen. Für die streite ich gerne, auch in den sozialen Netzwerken.
Was passiert, wenn wir das Internet denen überlassen, die hetzen, anfeinden, beleidigen und drohen, sehen wir immer wieder eskalieren. Dass sich hier eine Spirale bildet, die in Gewalt, Angst und Hass mündet, sollte allen klar sein, die online unterwegs sind. Wie wichtig es ist, diese Spirale schon von Beginn an zu unterbrechen und eben nicht über Anfeindungen und Schmähungen in den Kommentarspalten hinwegzusehen, ist leider noch nicht allen klar. Lobenswert und wichtig finde ich daher die Arbeit von Organisationen und Initiativen, die sich gegen Hass und Hetze im Internet stark machen, bewusst aufklären, informieren und auch konfrontieren. Diese Arbeit, gerade mit jungen Leuten, kann entscheidend dazu beitragen, das Bewusstsein für diese Art von Bedrohung zu schaffen – denn nichts anderes ist die Verrohung und die Feindlichkeit, die wir online beobachten.
Warum haben Sie sich dafür entschieden, auf diese Weise darauf zu reagieren?
Es gibt immer wieder Momente oder Erlebnisse, die mich in dieser beschriebenen Haltung bestärken. Ein Moment war sicher die Ermordung meines Freundes Walter Lübcke. Dieser Tat eines Nazis war eine üble Hetzkampagne im Netz vorausgegangen, an der sich auch Politiker der AfD und Menschen wie Erika Steinbach maßgeblich beteiligt haben. Das war ein erneuter Punkt, an dem ich mir gesagt habe: Stillhalten ist keine Option.
Gerade als Politiker sind wir in der Verantwortung, dem entgegenzutreten. Wenn wir von gesellschaftlichem Zusammenhalt sprechen und von der Pflicht, diesem Hass den Nährboden zu entziehen, müssen wir ihm auch da entgegentreten, wo er stattfindet. Und das ist aktuell zu großen Teilen online.
Inwieweit hat sich ihre Social-Media-Kommunikation durch Hate Speech verändert?
Ich lese weniger Kommentare und direkte Nachrichten als früher. Schlechten Menschen Aufmerksamkeit zu widmen, ist Lebenszeitverschwendung. Auf der anderen Seite steht eine gesteigerte Unterstützung für Initiativen wie die oben beschriebenen, die sich für ein hassfreies Netz engagieren. Ihnen beizupflichten und ihrem Beispiel zu folgen, kann ein wichtiger Beitrag sein, das Problem zu bekämpfen.
Dazu gehört aber auch die Konfrontation. Man muss es den Nazis oder den Hetzern eben manchmal auch sagen, dass sie welche sind. Vielleicht führt das dann zumindest bei den anderen zu einer stärkeren Abgrenzung und dazu, dass das eigene Verhalten hinterfragt wird, wenn man damit konfrontiert wird, welches Gedankengut da akzeptiert wird.
Was würden Sie anderen Politiker*innen in Bezug auf den Umgang mit Hate Speech raten?
Zwei Dinge finde ich wichtig: Erstens sollte man weiter die eigene Position vertreten. Ruhig und sachlich, klar im Ton. Soziale Netzwerke als Teil des öffentlichen Raums den Hasspredigern des Internets zu überlassen, ist keine Option. Zweitens sollte man sich auf keinen Fall provozieren lassen. Das kann anstrengend sein, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Aber es gilt: Trolle bekämpft man nicht, wenn man ihnen Futter gibt. Insofern leiste ich mir den Luxus, Nutzer, die sich nicht an die so genannte gute Kinderstube halten, einfach zu blockieren oder stumm zu schalten. Man merkt ja an den Kommentaren doch recht schnell, ob jemand immer provoziert und beleidigt oder ob einem mal die Pferde durchgegangen sind. Denn eins ist mir wichtig: Man darf auch emotional streiten. Da vergreift man sich dann durchaus mal im Ton. Solange man die Kraft hat, sich zu entschuldigen, ist das dann aber nicht so schlimm.